„Schnell und sauber“ Wie sicher ist der neue Corona-Impfstoff? Der STIKO- Vor sitzende Prof. Dr. Thomas Mertens über die Studienlage, das Wirkprinzip der mRNA-Technologie und die Furcht vor gentechnisch hergestellten Impfstoffen. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der KV Hamburg Die Entwicklung des Impfstoffs gegen SARS-CoV-2 hat nicht mal ein Jahr gedauert. Ist es überhaupt möglich, in so kurzer Zeit einen sicheren Impfstoff zu entwickeln? Mertens Der Impfstoff gegen SARS-CoV-2 ist ziemlich rasch entwickelt worden – nicht aber das dem Impfstoff zugrundeliegende Wirkungsprinzip. Biontech sowie andere Firmen und Institute beforschen schon seit etwa zweieinhalb Jahrzehnten sehr intensiv die mRNA- Technologie für Impfungen. Und einer der Vorteile dieser Technologie ist: Wenn man das Verfahren erst mal im Griff hat, kann man es schnell an eine neue Fragestellung anpassen. Es ist aber der erste Impfstoff dieser Art, oder? M Es ist der erste mRNA-Impfstoff beim Menschen gegen Infektionserreger. Es gibt aber bereits Tumor-Vakzine, die nach dem gleichen Prinzip funktionieren. Und wenn Sie gentechnisch hergestellte Impfstoffe meinen, stimmt die Aussage überhaupt nicht. Der Hepatitis-B- Impfstoff, der sehr erfolgreich und nützlich ist, wird auch gentechnisch hergestellt – allerdings mit einem anderen Verfahren. 1/2021 18
An wie vielen Menschen wurde der Impfstoff in der Zulassungsstudie getestet? M In die Studie zum Biontech-Impfstoff waren etwas mehr als 40.000 Personen eingeschlossen. Die Hälfte davon bekam den Impfstoff, die andere Hälfte das Placebo. Das ist im Vergleich zu anderen Zulassungsstudien durchaus eine angemessen große Gruppe. Gab es schwerwiegende Nebenwirkungen, die auf den Impfstoff zurückzuführen waren? Man hört immer wieder, dass bei der Entwicklung des Impfstoffs gegen SARS- CoV-2 nicht alle Erprobungsphasen durchlaufen worden seien. Stimmt das? M Vorübergehendes Fieber ein bis drei Tage. Kopfschmerzen, Übelkeit, Muskelschmerzen, die innerhalb von ein bis drei Tagen wieder abklingen. Schmerzen am Injektionsort. Davon abgesehen gab es in dieser Zulassungsstudie keine durch den Impfstoff verursachten schwerwiegenden Nebenwirkungen. M Nein, das ist Quatsch. Es wurden alle Phasen durchlaufen: die Präklinik und die tierexperimentellen Phasen ebenso wie die drei klinischen Phasen. Man hat den Prozess allerdings beschleunigt, indem man beispielsweise die klinischen Phasen überlappend durchgeführt hat. Es wurden aber keinerlei Abstriche bei der wissenschaftlichen Qualität der Studien gemacht. Hat die europäische Zulassungsbehörde EMA für den SARS-CoV-2-Impfstoff ihre Standards aufgeweicht? Was weiß man über sehr seltene Risiken oder späte Nebenwirkungen? M Sehr seltene Risiken oder späte Nebenwirkungen kann man durch Zulassungsstudien nie ganz ausschließen, weil man die Prüfung nicht endlos ausweiten kann. Natürlich könnte man theoretisch sagen: Okay, wir führen jetzt noch zweieinhalb Jahre lang Studien durch. Da frage ich Sie: Glauben Sie ernsthaft, dass wir diesen Impfstoff noch zweieinhalb Jahre unter Verschluss halten können? Statt auf Grundlage eines ganz normalen Zulassungsverfahrens nun mit dem Impfen zu beginnen? 1/2021 M Nein. Das Prüfungsverfahren ist lediglich technisch verkürzt worden, zum Beispiel durch die sogenannte „rollende Begutachtung“. Normalerweise schnürt der Impfstoff-Hersteller am Ende der Erprobungsphasen ein großes Paket mit all seinen Studiendaten und schickt es an die Zulassungsbehörde. Diese fängt dann an, das gesamte Paket zu prüfen. In Fall der SARS-CoV-2-Impfstoffe hatten die Firmen die Möglichkeit, schon ihre Zwischenergebnisse zu übersenden, die dann bereits geprüft wurden. Dadurch ergab sich eine Beschleunigung, aber keine Aufweichung der Prüf-Standards. Das Verfahren lief schnell und sauber. Als gegen die Schweinegrippe geimpft wurde, traten seltene Fälle von Narkolepsie bei Kindern auf. Kann so etwas beim Impfstoff gegen SARS-CoV-2 auch passieren? M Die Umstände waren damals anders als heute. Was damals zum Einsatz kam, war kein High-Tech-Impfstoff, sondern ein normaler, ordinärer Influenzaimpfstoff. Diesem Influenzaimpfstoff hatte man einen neuen, sehr starken Immunverstärker beigefügt, der wahrscheinlich bei bestimmten genetisch prädis- 19
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