Therapieansätzebeim Post-COVID-Syndromaus: Der Arzneimittelbrief (AMB 2024, 58, 89); Nachdruck mit freundlicher Genehmigungder Herausgeber2/20256Mit der zunehmenden Prävalenz der verschiedenen COVID-Folgeerkrankungen wächst auchdas Angebot an Therapieverfahren. Nach einem „Living Systematic Review“ der McMasterUniversity in Hamilton wurden bislang aber nur für 3 Interventionen – mit mäßiger Sicherheitnach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin – Verbesserungen bei Patienten mit Post-COVID-Syndrom (PCS) nachgewiesen: 1. ein online unterstütztes Programm mit kognitiver Verhaltenstherapie(KVT), 2. ein online unterstütztes, kombiniertes Rehabilitationsprogramm mitregelmäßigen körperlichen und kognitiven Übungen und 3. ein intermittierendes aerobes Trainingsprogramm(3-5-mal wöchentlich über 4-6 Wochen). Die Therapieeffekte sind nicht großund heterogen.Keine Evidenz gibt es bisher für die Wirksamkeit einer Reihe von Arzneistoffen, Supplementenund Probiotika, für ein inspiratorisches Atemmuskeltraining, hyperbaren Sauerstoff und einigeapparative Interventionen. Viele Studien haben nur kleine Patientenzahlen und Mängel bei derDurchführung sowie in der Bewertung der Ergebnisse. Es muss daher davor gewarnt werden,einzelne positive Fallberichte und kleinere Fallserien überzubewerten. Unkontrollierte Anwendungensollten vermieden werden, zumal wenn diese die Betroffenen viel Geld kosten.
Die sehr vielfältigen COVID-Folgeerkrankungenbeschäftigen Ärztinnen undÄrzte, Sozialversicherungen, Arbeitgeberund die Gesundheitspolitik. LautRobert Koch-Institut (RKI) berichten 6,5% derBetroffenen 6 bis 12 Monate nach einer SARS-CoV-2-Infektion über gesundheitliche Störungenmit Einschränkungen in ihren gewohntenLeistungs- und Funktionsfähigkeiten im Alltag(1). Die volkswirtschaftlichen Auswirkungensind bedeutsam. Nach Angaben einer großengesetzlichen Krankenkasse in Deutschlandwurden zwischen März 2020 und Dezember2023 1,8% aller bei ihr versicherten berufstätigenPersonen einmal wegen „Long-Covid“,„Post-Covid“ oder „Chronischem Fatigue-Syndrom“(CFS) krankgeschrieben und etwa 10%von diesen mehrfach (2). Die Daten zeigenauch, dass Frauen und Personen aus sozialenund Gesundheitsberufen überdurchschnittlichhäufig betroffen sind.Mit der Prävalenz von COVID-Folgeerkrankungenwächst auch die Zahl an mehr oder wenigerseriösen Experten/Expertinnen und Therapieverfahren,für die Betroffene teilweisesehr viel Geld ausgeben. In der lesenswertenS1-Leitlinie „Long/Post-Covid“ wird dringenddavor gewarnt, einzelne positive Fallberichteund kleinere Fallserien überzubewerten, undes wird von einer unkontrollierten Anwendungabgeraten (3).Krankheitsdefinitionen: Wenn über 12 Wochen(bei Kindern und Jugendlichen über >8 Wochen) nach einer SARS-CoV-2-Infektionbestimmte Symptome vorliegen (s. Tab. 1) undeine behandlungswürdige Einschränkung derAlltagsfunktion und Lebensqualität oder einnegativer Einfluss auf Schule, Ausbildung,Familie, sonstiges Sozial- und/oder Arbeitslebenvorliegt, kann von einem Post-COVID-Syndrom (PCS) gesprochen werden (3). Davonabzugrenzen sind Patienten mit Symptomen,die deren Alltag nur unwesentlich beeinträchtigenund bei denen > 4 und bis zu 12 Wochen(Kinder 8 Wochen) nach einer COVID-19-Erkrankungnoch Krankheitssymptome bestehen.Letzteres wird als „Long COVID“ oderpostakute Folgen von COVID-19 (Post-AcuteSequelae of COVID-19 = PASC) bezeichnet.Diese Unterscheidung ist u.a. zur Beurteilungder Ergebnisse von Therapiestudien wichtig,um nicht verzögerte Ausheilungen von COVIDfälschlicherweise als Therapieeffekte zu interpretieren.Es gibt, entsprechend der dominierendenSymptomatik, verschiedene PCS-Phänotypen:Patienten mit Allgemeinsymptomen (Erschöpfung,Fatigue), mit Atemnot, mit Kreislaufproblemen(Palpitationen, Tachykardien,posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom),Schmerzen (Kopfschmerzen, Myalgien,Arthralgien), neurokognitiven (Riech-, Schlaf-,Konzentrations- und Gedächtnisstörungen)und psychiatrischen Störungen (Depression,Angst- und Zwangsstörungen). Oft liegenmehrere Symptome vor, und eine Abgrenzungzu anderen Erkrankungen, wie Depressionen,Angststörungen, Post-Intensive-Care-Syndromen(= PICS) sowie „Critical Illness Polyneuropathie“kann schwierig sein.Die S1-Leitlinie „Long/Post-Covid“ (3), die von36 Fachgesellschaften und Institutionen ausDeutschland und Österreich herausgegebenund regelmäßig aktualisiert wird, unterscheidetzudem vier klinische PCS-Szenarien:1. Patienten, die wegen COVID-19 intensivmedizinischbehandelt wurden und aneinem „Post-Intensive-Care-Syndrome“leiden;2. Patienten, die in Folge einer SARS-CoV-2-Infektion mit zeitlicher Latenz neueSymptome oder Folgekrankheiten entwickeln,wie z.B. kardiovaskuläre, kognitiveoder psychische Störungen;3. Patienten mit Fatigue-Symptomatik undBelastungsintoleranz mit/ohne Dyspnoeund neurokognitiven Störungen („Brainfog“);4. Patienten mit Exazerbation einer bereitsfachspezifisch versorgten Grunderkrankung.Ursachen: Die Ursachen der COVID-Folge-2/20257
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